Vermeide diese 5 Fehler bei Experteninterviews!

Vermeide diese 5 Fehler bei Experteninterviews!

Die Frage Welche Methode oder Methoden kann ich für die Beantwortung meiner Forschungsfrage einsetzen? bestimmt jede empirische Arbeit.

Wird in die qualitative Richtung geforscht, erfreut sich die Methode Experteninterview großer Beliebtheit. Denn auf den ersten Blick scheint die Methode leichter anwendbar zu sein als beispielsweise eine Gruppendiskussion oder eine Beobachtung.

Ein bisschen Fragenstellen hier, dann noch etwas notieren dort und zum Schluss ein paar Aussagen in die Arbeit schreiben. Diese Annahmen höre ich immer wieder von Studierenden. Leider haben auch einige ihre Interviews mit dieser nachlässigen Einstellung durchgeführt, sodass sie mit ihren Arbeiten bei mir durchgefallen sind. Fehler bei qualitativen Interviews sind im Allgemeinen keine Seltenheit.

Damit du die Methode nicht von Beginn an auf die leichte Schulter nimmst, habe ich einmal die 5 häufigsten Fehler bei Experteninterviews zusammengestellt.

Diese 5 Fehler bitte nicht machen!

1. Du denkst, das Experteninterview ist eine nette Plauderei mit Freunden

Ein Experteninterview ist kein „lustiges Gespräch“ mit oder eine „lockere Befragung“ von einem Bekannten.

Studierende, die die Methode zum ersten Mal anwenden sollen, sagen gerne Sätze wie „Dann interviewe ich mal eben meine Schwester“ oder „Ich interview meinen Freund. Der kennt sich damit aus“.

Äh, nein.

Das Experteninterview als Forschungsmethode und folgt in der Vorbereitung, Durchführung und Analyse Regularien, die vorher festgelegt und begründet werden müssen. Daher ist auch die Wahl der Experten mit den Erwartungen an ihr Fachwissen in der Arbeit zu begründen.

Die Befragung von Freunden und Familienmitgliedern scheint aus bequemlichen Gründen einfach und naheliegend. Doch selbst wenn sie tatsächlich über Fachwissen verfügen, sollte eine Befragung vermieden werden. Die Gefahr ist groß, dass aufgrund des Beziehungsverhältnisses die nötige Objektivität nicht gegeben ist und sozial gewünschte Antworten gegeben werden. Das Stichwort lautet hier Erwartungshaltung.

Die Überlegungen zu möglichen Experten ergibt sich in der Regel aus deinem Thema oder deiner Fragestellung. Das heißt, die Expertenauswahl richtet sich nach deinem Forschungsinteresse. Die Experten sollten nach deiner eigenen Einschätzung über Informationen, Wissen oder Erfahrungen verfügen, für die dir das Literaturstudium keine Antworten liefern kann.

fehler bei experteninterviews 3

2. Du unterschätzt den allgemeinen zeitlichen Aufwand

Das Experteninterview gehört zu den qualitativen Forschungsmethoden.

Qualitative Forschungsmethoden zeichnen sich unter anderem durch die Offenheit im Vorgehen und die Möglichkeit, Hintergründe und Informationen tiefer zu erfragen aus.

Auf der anderen Seite sind sie recht zeit- und kostenintensiv. Zeitintensiv sind sie vor allem in der Auswertung, da die mitunter langen Interviews zuerst transkribiert und dann je nach Auswertungsmethode textlich (mehrfach) analysiert werden. Kostenintensiv sind sie, wenn die Experten nicht in der Nähe sind und zu den Intervieworten gereist werden muss.

Wenn du wenig Zeit für die Erstellung deiner Arbeit aufbringen kannst, solltest du dir im Vorfeld überlegen, ob ein empirischer Teil überhaupt für dich infrage kommt. Entscheidest du dich für Experteninterviews, plane ausreichend Zeit ein für

  • die Erstellung eines Leitfadens
  • die Anfrage, Terminierung und Koordination der Interviews
  • die Durchführung
  • die Transkription
  • die Auswertung

Zudem solltest du nicht mehrere Interviews auf einen Tag legen, da du dich sehr konzentrieren musst. Plane ebenfalls einen ordentlichen zeitlichen Puffer für Unvorhergesehenes wie Krankheit oder Terminverschiebungen mit ein.

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3. Du gehst unvorbereitet zu den Experteninterviews

Wie heißt noch mal mein Interviewpartner? Wo sind meine Unterlagen?
Mist, das Aufnahmegerät funktioniert nicht!

Ich sage immer, ein Experteninterview weist gewisse Parallelen zu einem Vorstellungsgespräch auf. Da gehst du für gewöhnlich auch nicht unvorbereitet hin, „um mal zu schauen“.

Gerade für Ungeübte ist ein Interview mit Unsicherheit und Nervosität verbunden. Daher mach dir das Leben einfacher und habe deine sieben Sachen für das Interview beisammen. Dazu gehört sowohl eine sorgfältige Vorbereitung im Vorfeld als auch am Tag des Interviews:

  • Bestätige noch einmal den Termin
  • Lege dir deine Unterlagen wie Schreibutensilien und den Leitfaden zurecht
  • Prüfe deine Technik mehrfach
  • Recherchiere über deinen Interviewpartner
  • Hab die Adresse des Intervieworts parat
  • Mach dich rechtzeitig auf den Weg, erscheine pünktlich
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4. Du unterschätzt die Interviewdauer

„Wie lange dauert denn so ein Interview?“ ist eine der häufigsten Fragen an mich.

Die Frage ist sehr schwierig zu beantworten, weil viele Faktoren die Dauer eines Interviews beeinflussen:

  • die Art der wissenschaftlichen Arbeit
  • die Komplexität des Themas
  • die Länge des Leitfadens
  • deine eigene Erfahrung mit der Methode
  • die Auskunftsfreudigkeit des Experten
  • die tagesformabhängige Stimmung aller Beteiligten
  • die Umgebung des Interviewortes
  • ein eventuell vorgegebenes Zeitlimit
  • etc.

Wie es nicht laufen sollte: Du triffst den Experten, stellst drei Fragen, bekommst drei knappeAntworten und bist nach fünf Minuten fertig.

Das widerspricht dem Ziel qualitativer Interviewformen, Hintergründe tiefer zu erforschen.

Mit deinen Fragen regst du deinen Interviewpartner bewusst zum Reden an, um Informationen zu bekommen. Redet er nicht oder wenig, ist es deine Aufgabe, als Interviewer weiter nachzufragen. Dabei behilflich ist dir dein Leitfaden.

Als groben Richtwert für die Dauer eines Interviews nenne ich immer +/- 30 Minuten.

Der Großteil aller meiner geführten Interviews dauerte um die 30-40 Minuten plus Small Talk. Mein längstes Interview ging sogar über 2 Stunden.

Natürlich kann es auch mal passieren, dass ein Interview in kurzer Zeit durchgeführt ist.

Bist du aber nach wenigen Minuten fertig, bedarf das einer kritischen Hinterfragung und Reflexion deiner Fragestellungen.

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5. Du sicherst deine Interviewdaten nicht ausreichend

Mit jedem Interview sammelst du eine Menge Daten- und Unterlagenmaterial. Damit meine ich nicht nur das Interview selbst, sondern auch beispielsweise diverse Mitschriften, Einwilligungserklärungen, Transkriptionen, Auswertungen oder sonstige Notizen.

Wenn du deine gesammelten Daten nicht ausreichend sicherst und im schlimmsten Fall verlierst, ist das 1. sehr unangenehm und 2. wirst du die Interviews sehr schlecht oder gar nicht rekonstruieren und nachweisen können.

Überlege dir also frühestmöglich, wie und wo du deine Interviewdaten und alle weiteren Unterlagen ablegen und sichern willst.

Alle elektronischen Dateien speicherst du am besten auf deinem Rechner und zusätzlich auf einer externen Lösung wie USB Stick, externe Festplatte oder in der Cloud. Einen externen Datenträger bitte nicht bei dir, sondern unbedingt an einem anderen Ort auf aufbewahren, zum Beispiel bei deinen Eltern oder einem Freund.

Mitschriften und Notizen heftest du in einem Ordner ab. Wenn du deine eigene Schrift ein paar Tage später schon nicht mehr entziffern kannst, übertrage deine Notizen direkt in eine Datei. Alle anderen Papiere kannst du zusätzlich scannen und speichern.

Bitte beachte, dass du die Unterlagen später der Arbeit als Anhang beifügen musst, damit der Weg zu deinen Ergebnissen nachvollziehbar ist. Je nach Absprache mit deinem Betreuer oder gemäß den Prüfungsregeln können dies alle Unterlagen, zumindest aber die Transkriptionen und Auswertungen sein.

Ein Interview solltest du übrigens immer grob mitschreiben.
Du wärst nicht der/die Erste, bei dem die Technik plötzlich versagt.

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Fazit

Experteninterviews sind alles andere als eine leichte und schnell durchführbare wissenschaftliche Methode.

Wer Experteninterviews durchführen will, sollte ihre Komplexität nicht unterschätzen.

Wenn du die genannten Fehler bei Experteninterviews nicht machst, bist du auf jedem Fall auf dem richtigen Weg.

Herzliche Grüße
Sandra





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